Immobilienwirtschaftlicher Neuanfang

Wohn- und Geschäftshaus „Kronprinz“, Wunsiedel

Das „Hotel zum Kronzprinz von Bayern“ verkörperte einst Stolz und Gloria der Kreis- und Festspielstadt Wunsiedel im Fichtelgebirge. Es war die beste Herberge der Stadt, es war das beste Restaurant am Platz, und wer auch immer Ruhmreiches oder Berühmtes nach Wunsiedel kam, der nächtigte im „Kronprinzen“, wie das Traditionshotel unter Einheimischen hieß. Doch das ist Vergangenheit, gefühlte Ewigkeiten her. Lange Jahre stand das Gebäude in unmittelbarer Nähe zum Marktplatz leer, seine Substanz wurde maroder und maroder – bevor es 2016 abgerissen wurde. Manch einem in der Stadt war das gar nicht Recht, der Abbruch wurde von einigen Bürgern als Verlust empfunden, als wäre ein letzter Zacken aus der schon längst nicht mehr glänzenden Krone Wunsiedels mutwillig rausgebrochen worden. Doch stellte der Rückbau zugleich einen Neuanfang dar. Schon einige Jahre vorher sorgte eine demographische Untersuchung für Schlagzeilen, wonach die Abwanderung einer Vielzahl von Bürgern nicht fehlenden ökonomischen Perspektiven, sondern dem Mangel an modernem Wohnraum geschuldet sei. Für die alarmierten Stadtoberen war dies der Grund, im Februar 2013 ein zu 100 Prozent im städtischen Besitz befindliches Wohnbauunternehmen zu gründen – die „WUN Immobilien KU“. Zu den Aufgaben dieser Anstalt öffentlichen Rechts gehören unter anderem die Verwaltung und Optimierung des städtischen Wohnungsbestandes, die Entwicklung bzw. Sanierung der von der Stadt ans Kommunalunternehmen übertragenen Immobilien und die Aktivierung „schlafender“, also leerstehender und vernachlässigter Privatimmobilien.

Den „Kronprinz“ erwarb 2011 die Stadt aus Privatbesitz und übertrug ihn gemeinsam mit 26 anderen städtischen Immobilien ihrer Wohnbautochter, wobei, so die Immobilien KU, lediglich zwei Objekte in gutem Zustand, alle anderen zumindest einer dringenden Sanierung bedurften oder sogar abbruchreif waren. Schon aufgrund der Prominenz dieses Ortes sollte der neue Kronprinz, der eigentlich eher Gebäudekomplex ist, als Leuchtturmprojekt eines immobilienwirtschaftlichen Aufbruchs dienen und ein städtebauliches Ausrufezeichen darstellen. Das hieß zunächst: Abbruch des Bestandes, Auslobung eines Wettbewerbes, Bau eines neuen, vom Wettbewerbssieger – Büro Kuchenreuther – geplanten Gebäudes, das die Baumasse des ursprünglichen Gebäudes, aber auch Traufe, Dachneigung und Fluchtlinien des Ensembles an der Maximilianstraße aufnimmt. Die Immobilien KU fand einen Partner und Hauptinvestor – die Sparkasse Hochfranken – und erwarb zusätzlich ein unmittelbar benachbartes Gebäude, das als Sanierungsobjekt in das Gesamtkonzept einbezogen wurde. So entstanden an der Maximilianstraße in drei Baukörpern – Nachbarhaus, Neubau und ein erdgeschossiger Pavillon Richtung Norden – insgesamt 2400 Quadratmeter Gewerbefläche, wovon die Sparkasse das komplette Erdgeschoss erwarb und das erste Obergeschoss mietete. Auf den übrigen Flächen verteilen sich soziale Einrichtungen, Kanzleien, Praxen, ein Computer-Startup und die Büros der Immobilien KU.

Im rückwärtigen Bereich erhebt sich, farblich abgesetzt von dem erwähnten Pavillon, ein viergeschossiges, sehr kompaktes Wohnhaus mit insgesamt neun Wohneinheiten unterschiedlicher Größe. Wie bei den Gewerbebauten an der Straße wurden auch im Wohnhaus Trockenbau-Wände gewählt, um, falls die Marktsituation sich verändert, auch andere Wohnungsgrößen und -grundrisse anbieten zu können. Jede Wohneinheit besitzt eine über raumhohe Glastüren zugängliche Loggia oder einen Balkon sowie einen Parkplatz. Alle Wohnungen sind barrierefrei, die im Erdgeschoss auch rollstuhlgerecht. Darüber hinaus verfügt jede Wohnung über einen Glasfaseranschluss für schnelles Internet. Die Wohnungen entsprechen dem KFW 55-Effizienzstandard. In Zusammenarbeit mit den Wunsiedler Stadtwerken wurde im Objekt eine Micro-Nahwärme-Versorgung als Satellit für das Zukunftsprojekt „Nahwärme im Quartier“ integriert. Das BHKW wird durch Erd- und Biogas betrieben. Die durch die Stromproduktion entstehende Wärme dient der Versorgung des gesamten Gebäudekomplexes. Sämtliche Zufahrten sind mit Bodengittern aus 100 % recyceltem Kunststoff als versiegelungsfreie Oberfläche versehen.

Der wirtschaftliche Erfolg des Projekts bestätigte die Verantwortlichen bei Stadt, Immobilienunternehmen und Planern. Bereits vor Baubeginn Ende 2016 waren rund zwei Drittel der Gesamtfläche verkauft oder vermietet – und das ohne größere Vermarktungsaktivitäten anzustrengen. Außer der Sparkasse erwarben mehrere Investoren Gewerbe- und Wohnflächen, um sie zu vermieten. Pünktlich zur Fertigstellung konnte der Bauherr verkünden, dass alle verkauft oder vermietet waren. Zum Erfolg des neuen Kronprinzen trug die Bereitschaft der Immobilien KU bei, den Traditionsfreunden in Wunsiedel entgegenzukommen: Sämtliche kunsthistorisch bedeutenden Teile wurden erhalten und dem nahen Fichtelgebirgsmuseum zur Verfügung gestellt. Ein paar Teile zieren aber auch den Neubau: So hängen einige der schönen Glasfenster des einstigen Gebäudes als Dekorationsstücke in den Büros der Immobilien KU. In den Grünstreifen um das Wohngebäude und die Parkplätze finden sich einige Säulenstücke aus der Bacchusstube, dem Restaurant des ehemaligen Kronprinzen. Das prominenteste Stück, ein aus Granit gehauenes Portal, wurde in einer gemeinsamen Aktion von Sponsoren und am Bau beteiligten Firmen im Durchgang zum Wohngebäude neu eingebaut. Das handwerklich wirklich herausragende Werkstück, durch das einst berühmte Persönlichkeiten gingen, hat einen guten Platz gefunden, der von Wunsiedels einstigen Glanz und Gloria künden kann.

STANDORT:
Maximilianstraße
25, 27, 27a, 27b
95632 Wunsiedel

BAUHERR:
WUN Immobilien KU
Maximilianstr. 27 a
95632 Wunsiedel

PROJEKTLEITER:
Johannes Klose