Dorfgemeinschaft

HAMMERscheune Niederlamitz, Kirchenlamitz

Die Frankenpost brachte schon im Januar 2018 das Geschehen auf den Punkt: „Ein Dorf packt gemeinsam an“. Dies war die Überschrift eines Berichtes über den Bau der „Fest-“ oder „HAMMERscheune“ in Nieder­lamitz. Das Gebäude, zu dessen Bau die Bevölkerung dieses Ortsteils von Kirchenlamitz gemeinsam anpackte, ist ein wahres Dorfgemeinschaftsprojekt. Gefördert vom Amt für ländliche Entwicklung, in Zusammenarbeit mit der Dorfgemeinschaft geplant vom bewährten Team Kuchenreuther/Schlichtiger. Gebaut wurde die Scheune mit sehr viel in Eigenleistung von der Dorfgemeinschaft – und natürlich wird die Scheune auch von der Dorfgemeinschaft genutzt. Dass diese inzwischen einen Verein gegründet hat, einen Verein, der „Dorfgemeinschaft Niederlamitz e.V.“ heißt, der seit 2018 im Vereinsregister geführt wird und formelle Rechtsfähigkeit erlangt hat, ist nur die Krönung eines außergewöhnlichen Projekts.

Wie in Tröstau und vielen anderen Orten des Fichtelgebirges gab es auch in Niederlamitz einen Eisenhammer. Er wurde allerdings im Gegensatz zu Tröstau schon 1880 abgetragen. Es blieben einige Betriebsgebäude, darunter eines, das als Wirtshaus und Treffpunkt – zuletzt als Gaststätte Schörner – Karriere machte, um dann seinerseits aufgegeben zu werden. Wie eine dazugehörige Scheune verfiel der Bau, war schließlich einsturzgefährdet. Das ganze verwilderte Gelände stellte eine Gefahrenquelle dar. Doch die Dorfgemeinschaft regte sich und beschloss mit der Stadt Kirchenlamitz, den klaffenden Schandfleck zu beseitigen. Mit beeindruckendem bürgerschaftlichen Engagement diskutierte man die Art der Umgestaltung und die spätere Nutzung. Man traf sich zu Workshops mit den Planern, brachte unterschiedliche Erwartungen auf den Tisch und einigte sich auf gemeinsame Ziele. Und fand im Bayerischen Dorfentwicklungsprogramm den perfekten Förderweg, die sogenannte Einfache Dorferneuerung, bei der „zentrale Bereiche in Dörfern gestalterisch verbessert und für das Gemeinschaftsleben aufgewertet sowie leer gefallene ortsbildprägende Gebäude saniert und neuen Nutzungen zugeführt“ werden sollen.

Dass hierzu ein eigenes Förderprogramm aufgelegt werden musste, zeigt, dass im vom demographischen Wandel gezeichneten ländlichen Raum – und das nicht nur in Bayern – vielfach die Dorfzentren ihre ursprüngliche Funktion verloren haben. In Rheinland-Pfalz beispielsweise heißt das entsprechende Förder­programm „Mehr Mitte bitte“. Im Bund-Länder-Programm „Ländliche Zentren – Kleinere Städte und Gemeinden“ wurden von 2010 bis 2019 in ganz Deutschland 672 ähnliche Projekte gefördert. Die nicht nachlassende Initiative der Niederlamitzer Bevölkerung sowie die sowohl symbolische als auch ganz praktische Einbindung von Geschichte machen das hochfränkische Projekt so besonders. Spannend auch das sehr gelungene Ineinandergreifen von Hochbau- und Landschaftsarchitektur. Denn es wurde nicht einfach ein kleines Gebäude gebaut, die Dorfgemeinschaft entwickelte mit Kuchenreuther und Schlichtiger vielmehr ein ganzes Areal, das „Hammergelände“, das mit vielfachen Ver­- weisen auf die Vergangenheit des Ortes dessen neue Mitte darstellt. Einen zentralen Treffpunkt, an dem die Niederlamitzer – die Jugend, aber auch die Älteren – ihre Freizeit verbringen, an dem Theateraufführungen, kleinere Konzerte oder Lesungen stattfinden können, an dem man gemeinsam grillt, mit selbstgefertigten Figuren eine Partie Schach spielt oder einfach nur miteinander schwätzt. Darüber hinaus ist das Gelände an das regionale und überregionale Wander- und Radwegenetz angeschlossen.

„Auf Gebautem bauen“ lautete das Konzept der Planer. Und dies ganz wörtlich: Zuerst riss man das alte, völlig marode Gasthaus ab – bis auf den historischen Ge­wölbekeller, dessen Erhalt auch der Dorfgemeinschaft wichtig war. Über den Keller und den Grundmauern wurde eine Betonplatte gegossen, die gleichsam das Fundament des Neubaus darstellt. Aufgrund der topo- graphischen Situation – ein Geländeversprung – ist der Gewölbekeller auch ebenerdig begehbar, er dient als Lager und Ausstellungsraum. Die darüber gebaute Festscheune nimmt mit 16 x 10 Meter die Maße des ehemaligen Hammergebäudes auf, ähnelt aber in Form und Material – eine Holzrahmenkonstruktion mit vertikal beplankter Holzfassade – der erwähnten, teilweise eingestürzten Scheune, die ebenfalls abge­brochen wurde. Die ebenso schlichte wie traditionelle Scheunenform wurde also bewusst gewählt, doch der tiefe Einschnitt im Eingangsbereich und vor allem zwei auffällige Fensteröffnungen verorten das breit gelagerte Gebäude in der Gegenwart. Außen stehen diese schwarz berahmten Fenster etwa zwei Handbreit vor der Fassade, innen dagegen haben sie eine sowohl niedrige als auch tiefe Brüstung, so dass man auf dieser sitzen und einen privaten Plausch etwas abseits des Geschehens halten kann.

Der erwähnte Gebäudeeinschnitt dient nicht nur als Eingang, sondern auch als Unterstand für Radfahrer und Wanderer bei schlechter Witterung. Von diesem Unterstand ist auch ein barrierefreies WC erreichbar. Dieses und die innenliegende Teeküche bilden die versorgenden Räume innerhalb der Festscheune. Der Innenraum des Gebäudes ist einfach und robust gehalten. Der offene Dachstuhl zeigt das sichtbare Nagelbindertragwerk. Im hinteren Teil erhebt sich eine kleine Bühne, über eine Klappe und eine kleine Treppe sind die Gewölbekeller erreichbar. Die innenliegende Wärmedämmung befindet sich im Bereich der dienenden Räume, die zudem Frostwächter erhalten. Die Wärmedämmung des Veranstaltungsraums kann in Eigenleistung zu einem späteren Zeitpunkt erfolgen. Es ist keine Heizung vorgesehen, lediglich ein Holzofen liefert Wärme bei Veranstaltungen. Ansonsten wird eine Stromversorgung installiert, welche einen Festbetrieb für Konzerte sicherstellt. Die Beschreibung der Innenausstattung mutet spartanisch an, der Innenausbau kann aber jederzeit nachgerüstet und neuen Bedürfnissen angepasst werden. Dann könnte es auch in Zukunft heißen: „Ein Dorf packt gemeinsam an“

AUSZEICHNUNG:
Staatspreis Dorferneuerung und Baukultur 2021

STANDORT:
Hammerweg 5, Ortsteil Niederlamitz
95158 Kirchenlamitz

BAUHERR:
Stadt Kirchenlamitz
Marktplatz 3
95158 Kirchenlamitz

PLANUNGSTEAM:
Kuchenreuther Architekten Stadtplaner, Marktredwitz
Landschaftsarchitektur Marion Schlichtiger, Wunsiedel

PROJEKTLEITERIN:
Susann Schäfer