Sommerfest

Erweiterung Aula, Markgraf-Diepold-Grundschule, Waldsassen

Dass der Zentralbau, der als Aula der Markgraf-Diepold-Grundschule in Waldsassen dient, einen sakralen Charakter habe, nun ja, wer wollte ihm das verdenken? In einer Landschaft, die „Stiftsland“ genannt wird, in einer Stadt, die wie wenige andere in Deutschland von einer mächtigen Barockbasilika und einem ebenso (wirkungs-)mächtigen Kloster geprägt wurde? Ältere Zeitgenossen dürften sich an die 60er-, 70er-Jahre des vergangenen Jahrhunderts erinnern, also an die Zeit der Babyboomer, als man dachte, den wachsenden Bedarf an Seelsorge mit runden Zeltkirchen und anderen temporären Bauten zufriedenstellen zu müssen: Eines dieser Gebäude könnte vielleicht als Modell der in den 80er-Jahren fertiggestellten, sich über einem achteckigen Grundriss erhebenden Aula in Waldsassen gedient haben. Doch eigentlich, so erzählt man sich wenigstens, sei das Vorbild des Pavillons mit dem Pyramidendach eine ganz profane Autobahnraststätte gewesen – die an der A9 in der Holledau nahe München. Aber auch hier könnte man spekulieren und an die fast sakrale Verehrung vieler Automobilisten für ihr „Heilig‘s Blechle“ denken. Jedenfalls, und das ganz unabhängig von Form und Vorbild, war der Versammlungsraum der Markgraf-Diepold-Grundschule, ehrlich gesagt, wenig bis gar nicht zu benutzen. Zu klein, zu große akustische Probleme (nur schallharte Oberflächen) und: Die Pfosten-Riegel-Glas-Fassade mit unzureichender Isolierung, ungenügenden Verschattungsmöglichkeiten und unbefriedigender Entlüftung bescherte im Sommer Saunatemperaturen, stickige Luft und infolgedessen blitzschnell nachlassende Konzentration bei denen, die sich versammelten.

Eine 2018 beschlossene Förderoffensive von insgesamt mehr als acht Millionen Euro für den Landkreis Tirschenreuth machte den Weg frei, unter zahlreichen Modernisierungsprojekten auch die Aula der Waldsassener Grundschule zu sanieren und zu erweitern. Das Konzept dazu legte Peter Kuchenreuther vor. Nach einem knappen Jahr Bauzeit – eine „ganz harmonische Geschichte“, so Stadtbaumeister Hubert Siller – wurde die generalsanierte und erweiterte Aula im Juli 2022 eingeweiht. Karin Gleißner, die Schulleiterin, äußerste sich laut Frankenpost bei der Feier höchst zufrieden: „Entstanden ist ein Ort der Mitte, der höchsten Ansprüchen an eine zeitgemäße Schule genügt und keine Wünsche sowohl von Kindern als auch Lehrern offenlässt.“ Die Metamorphose des Gebäudes beschrieb die Rektorin mit folgenden Worten: „Von der beengten Waldsassener Sauna zur großzügigen Wellness-Lernlandschaft.“ Aus einem Versammlungsort mit Platzmangel sei ein multifunktionaler Raum zum Lernen, Spielen und Wohlfühlen geworden. Anlässlich der Erweiterung benannte die Schule die neue Aula in Anlehnung an den Namensgeber der Schule, Markgraf Diepold, in „Diepoldeum“ um.

Umbauen, Anpassen, Wiederverwenden – die Bundesarchitektenkammer hat im Sommer 2021 diese Strategien unter der Formel „Umbaukultur – Entwurf für eine Baukultur der Verantwortung“ zusammengefasst. Der Umbau der Aula zum Diepoldeum ist dafür ein gutes Beispiel. Peter Kuchenreuther und sein Team erhielten den oktagonförmigen Grundriss des Gebäudes einschließlich der Tragstruktur und der Dachkonstruktion. Das Dach wurde isoliert, bekam eine Metalleindeckung und im Dachspitz ein Oberlicht. Bei diesem steht nicht die Belichtung, sondern die Belüftung im Vordergrund: Die Kuppel besteht aus acht dreieckigen Fenstern, die man über einen Motor öffnen kann, sie sorgt gemeinsam mit den Oberlichtern der Fassade für einen Kamineffekt und so – etwa nachts – für die natürliche Auskühlung des Gebäudes. Die Grundfläche der Aula erweiterte Kuchenreuther mit einem ebenfalls achteckigen Ring. Mit einem System aus verschiedenfarbigen Vorhängen kann man insgesamt fünf Teilsegmente dieses Rings abtrennen und als kleinere Einheiten – als Backstage-Bereich etwa, für eine kleinere Lern- oder Spielgruppen – benutzen. Damit der kühlende Luftstrom ungehindert zirkulieren kann, werden die Stoffbahnen etwa 20 Zentimeter unter der Decke abgehängt. In einem weiteren, geschlossenen Segment befinden sich Sanitär- und Garderobenräume, in einem anderen, ebenfalls geschlossen, das Stuhllager und eine Teeküche. Letztere dient auch als Kiosk während der Schulpausen. Im achten Segment befindet sich der Übergang zur Schule.

Die Erweiterung, also dieser Ring ist als Holzbau, genauer Holzständerbau mit innenliegender Wärmedämmung ausgeführt und steht auf einem Sichtbetonsockel. Dieser kann auch als Sitzbank dienen. Wieder wurde eine Pfosten-Riegel-Fassade verwendet, allerdings mit Dreifach-Isolierglasscheiben, als Verschattung dient eine vertikale Lattung aus naturbelassenem Lärchenholz, die überdies optisch ausgezeichnet zu den Holzfenstern des Schulgebäudes passt. Das Flachdach der Erweiterung ist begrünt und von den Klassenzimmern zu sehen. Neu an den Decken – sowohl der ursprünglichen Aula als auch der Erweiterung – sind farblich abgestimmte Schallschutzpanelle, deren Wirkung durch die Vorhänge verstärkt wird. Trotz des neuen Bodenbelags aus Oberpfälzer, genauer Flossenbürger Granit sind die akustischen Eigenschaften des Dipoldeums hervorragend. Ohne Erweiterung kann die „neue“ Aula etwa 240 Sitzplätze aufweisen. Bei größeren Schulveranstaltungen kann in der ringförmigen Erweiterung die Bestuhlung auf rund 420 erhöht werden. Wobei diese Veranstaltungen dank aller Verbesserungen nun auch im Sommer stattfinden können. Das Dipoldeum ist gleichsam „sommerfest“ geworden. Dass jetzt gemutmaßt wird, das Vorbild der Aula-Erweiterung sei der Umgang der nahen Dreifaltigkeitskirche Kappl gewesen, nun ja, das liegt wahrscheinlich an den eingangs beschriebenen Waldsassener Verhältnissen.

STANDORT:
Schulstraße 1
95652 Waldsassen

BAUHERR:
Stadt Waldsassen
Basilikaplatz 3
95652 Waldsassen

PROJEKTLEITERIN:
Susann Schäfer