Hammer-Geschichte

Umbau und Sanierung Torhaus Schloss Leupoldsdorf, Tröstau

Als im August 2020 Heinz Martini nach vier Amtsperioden als Bürgermeister der Gemeinde Tröstau in den Ruhestand verabschiedet wurde, würdigten die Festredner seine zahlreichen Verdienste und Erfolge. So war er Ideengeber einer gemeinsamen Petition aller Bürgermeister des Landkreises Wunsiedel, um Stabilisierungshilfe für die klammen kommunalen Haushalte zu bekommen. Auch die Idee, eine Justizvollzugsanstalt im Landkreis zu bauen, kam von Martini. Und auch die Sanierung des Hammerherrenschlosses Leupoldsdorf ging, betonte die von München ins Fichtelgebirge geeilte Landtagsvizepräsidentin Inge Aures, auf sein Konto. Die Gemeinde erhielt dafür die bayerische Denkmalschutzmedaille. Dass die kleine Feier im Torhaus des Schlosses stattfand, unterstrich das Engagement des frisch gebackenen Altbürgermeisters für das Gebäude, das bereits im Jahre 1994 – zu seinem ersten Amtsantritt – begann.

Nun erinnert an Erzbergbau und Metallbearbeitung, zwei seit dem späten Mittelalter für das Fichtelgebirge prägende Wirtschaftszweige, heutzutage nur noch Weniges. Was sich einst in einem dichten Netz an Stollen, Gruben, Mühlen, Hochöfen, Hämmern und Meilern bis ins beginnende 20. Jahrhundert über die gesamte Region zog, ist dieser Tage nur noch in einer Handvoll Standorten sichtbar. Dass seit einigen Jahren dazu auch das Schloss in einem Ortsteil Tröstaus gehört, ist sicherlich die Leistung Martinis – mit der Hilfe des Landesamtes für Denkmalpflege, einer Handvoll hervorragender Planer und mannigfacher Geldgeber bzw. Fördertöpfe. Dass eine ganze Reihe an Widerständen zu überwinden war, ist bei dieser Art von Projekten gleichsam selbstverständlich. Die größte Schwierigkeit: Das aus dem 17. Jahrhundert stammende Hammerschloss selbst war und ist in Privatbesitz, allein das im gleichen Jahrhundert errichtete Torhaus konnte die Gemeinde erwerben. Wobei dieser Annex des Hauptgebäudes – ein einfaches, zweigeschossiges Satteldachhaus und ein Torbogen – über Jahre leer stand und dem Verfall preisgegeben war. Erst als die öffentlichen Arbeiten fortschritten und sichtbare Erfolge zeitigen, wurde durch die privaten Eigentümer auch das Schloss saniert.

Auf 1432 datiert die erste Urkunde, die einen Hammer in Leupoldsdorf erwähnte. Zu seiner Blütezeit im frühen 18. Jahrhundert umfasste er das repräsentative Herrenhaus mit Torhaus, einen größeren Stab- und kleineren Zainhammer, ein Schleifwerk, diverse Wohnhäuser für Schichtmeister, Köhler und Frischer, eine Ziegelhütte, einen Kalkofen und eine Mühle. Der Grundbesitz der Hammerherren umfasste Staugewässer, Gärten, Wiesen, Äcker, Waldwiesen und Wald. Die Industrialisierung dann machte die Hammerschmieden überflüssig, den Betrieb im Leupoldsdorfer Hammer gab man 1865 wegen Unrentabilität auf. Ab 1895 wurden die ihm gehörenden Gebäude und Grundstücke verkauft. Als sich die Gemeinde für das Anwesen zu interessieren begann, bot sich ein trauriger Anblick: Das Torhaus war in einem trostlos heruntergekommenen, ja beklagenswerten Zustand. Der Dachstuhl eingestürzt und zum Biotop für Fledermäuse geworden. (Für die Sanierung musste man sich mit der Unteren Naturschutzbehörde ins Benehmen setzen.) Der ehemalige Mühlgraben war verrohrt, die Teichanlage überwuchert. Und ein Teil des Geländes von leerstehenden Funktionsbauten einer aufgegebenen Schreinerei überformt.

Sich Schloss Leupoldsdorf als attraktives touristisches Angebot vorzustellen, dazu benötigte man Mut und visionäre Kraft. Doch schon 2007 im Integrierten Ländlichen Entwicklungskonzept für die Verwaltungsgemeinschaft Tröstau – Nagel, Bad Alexandersbad und eben Tröstau – ist die Rede davon, die vorhandenen Potentiale zu nutzen und durch Synergieeffekte den Tourismus zu stärken. Bad Alexandersbad sollte seine Kuranlagen aufwerten, Nagel das schon diskutierte Kräuterdorf-Konzept voranbringen und Tröstau das Hammerschloss entwickeln. Übrigens: Der damalige Geschäftsleiter der Verwaltungsgemeinschaft, Peter Berek, wurde 2008 Bürgermeister von Bad Alexandersbad und 2020 Landrat.

Nun ist „entwickeln“ ein ziemlich diffuses Wort. Wer heute jedoch die Schlossanlage besucht – sich im Torhaus die Ausstellung über die Hammer(werke) im Fichtelgebirge anschaut, sich im Kurgarten an duftenden Blüten und Kräutern erfreut oder dem Murmeln der Wasserläufe lauscht –, der wird den Verantwortlichen vermutlich bescheinigen, einen guten Job gemacht zu haben. Auch einen intellektuell überzeugenden. Denn es wurde nicht einfach ein alter Kasten hergerichtet, ein bisschen schick und dann ein Pressefoto gemacht. Das Konzept war viel umfassender, ganzheitlicher, vielfältiger. Einfach klüger. Es reicht von Geschichte und Ausstellungen über die Anlage eines ebenso attraktiven wie lehrreichen grünen Freiraums und mit der sanierten Teichlandschaft bis zur Gewässerwirtschaft. Ein Beispiel: Damit für Eisenhammer auch in trockenen Zeiten kontinuierliche Energie zur Verfügung stand, musste eine Anlage aus Zu- und Abflüssen und gestauten Gewässern erdacht, Bäche umgeleitet, Wehre, Gräben und Weiher geschaffen werden. Das ist jetzt in einem „Mühlenerlebnisweg“ in Leupoldsdorf sinnlich erfahrbar. Die Besucher können sogar, freilich eher als Spielerei, einen kleinen Bach anstauen und damit ein Wasserrad betreiben.

Manchmal hilft der Zufall: Beim Abbruch der nicht weiter bemerkenswerten Werkhalle besagter Schreinerei wurden einigermaßen gut konservierte Mauerreste des ehemaligen Frischerhauses entdeckt. Das Frischen war ein notwendiger Vorgang in der Veredelung oder Vergütung von Roheisen. Die Frischer reinigten das nochmal geschmolzene Roheisen mit riesigen Blasebälgen – also mit der Zufuhr von Sauerstoff – und anschließendem Schmieden mit dem Frischhammer von Kohlenstoff, Phosphor und Schwefel. Das Gebäude-Fundstück – die Mauern sind nun frisch verputzt und mit Wetterschutz versehen – spielt in der neuen Anlage eine wichtige Rolle. Während Schloss und Torhaus andere Zwecke hatten, kann man mit dem Frischerhaus und dem, was in ihm stattfand, anhand der erhaltenen Reste eines Originalgebäudes die Arbeitsprozesse eines Eisenhammers sinnlich erfahrbar nacherzählen. Quadratische Sitz-Steinblöcke markieren den Umfang des ursprünglichen Hauses. Eine kleine, mit Cortenstahl konstruierte Bühne, auf der beispielsweise Konzerte stattfinden, verhilft dem Frischerhaus zu größerer Aufmerksamkeit.

Ein zweites Fundstück spielte für den heute „Kurpark Hammerschloss Leupoldsdorf“ benannten Garten eine wichtige Rolle. Im Urkatasterplan von 1860 gab es einen Hinweis auf eine historische Nutz- und Ziergartenanlage. Eine klassische Gartenform mit Wegekreuz, Brunnen und symmetrischen Beeten. Schon der Leupoldsdorfer Hammerherr Johann Christoph von Müller hatte 1811 einen Artikel über die Kultivierung von Hutflächen verfasst. Er hat wahrscheinlich den Garten angelegt – einerseits zur Versorgung des Hammergutes mit Gemüse, Obst und Kräutern, andererseits zum Vergnügen für die Herrenfamilie. Praktischen Nutzen und Ästhetik konnte man auch vor 200 Jahren miteinander verknüpfen. Für den Kurpark wurde der alte Gartengrundriss zur Vorlage: Vier quadratische Beete um einen Brunnen, zwei rechteckige Beete mit einem Pavillon und die charakteristische Rundung im Nordosten. Der als strenger Kubus gestaltete Pavillon – schon Hammerherr Müller baute einen – dient als point de vue der geometrischen Anlage und besteht wie der Brunnen und die um ihn gruppierten laubenartigen Sitzgelegenheiten aus Cortenstahl. Dieser betont die Verbindung zum Ort. Bepflanzt wurde der Garten mit allen möglichen, vielfach vergessenen Apfel- und Birnen-, Pflaumen- und Kirschsorten. Es gibt Hecken mit Wildobstgehölzen, Beerensträucher, historische Rosenbäume, Würz- und Heilkräuter. Ein Schmaus für Auge, Nase und, wenn man Glück hat und eine reife Frucht pflücken kann, auch für die Geschmacksknospen.

Wurde die Teichlandschaft zusammen mit der zum Schloss führenden Kastanienallee in einem dritten Bauabschnitt in den Jahren 2010 und 2011 saniert, die Schreinerei abgebrochen und anschließend der Kurpark auf Grundlage der historischen Geometrie im zweiten Bauabschnitt zwischen 2009 und 2010 angelegt, so bildete die Sanierung und Umwidmung des Torhauses den ersten Bauabschnitt. Der Zustand, in dem sich der Bau zu Anfang der Arbeiten präsentierte, lässt darauf schließen, dass er auch als Lager und Wohnung diente. Auch heute dient das Torhaus vielerlei Zwecken: Tourist-Info, Raum für Dauer- und Wechselausstellungen, Vortragsraum, kleiner Festsaal, selbst als Exponat, natürlich ist ein Lager dabei und ein mit Infotafeln ausgestattetes Foyer, in dem zum Beispiel Fremdenführer Reisegruppen in die Geschichte dieses Ortes einführen können. Kam man früher in das Obergeschoss des Torhauses über das Hauptgebäude, musste im Zuge der Umwidmung eine eigene vertikale Erschließung hergestellt werden. Dazu mussten im nördlichen Teil des Gebäudes zwei der ansonsten sehr eindrucksvollen Gewölbekappen entfernt werden. Stattdessen fertigte ein Schreiner nach den Plänen von Peter Kuchenreuther eine „Raumtreppe“ – ein in seiner Architektur häufig wiederkehrendes Element: Während im Erdgeschoss die Treppenkonstruktion auch einen zusätzlichen Stauraum enthält, verwandelt sie sich im Obergeschoß, fast übergangslos, zu einer Vitrine und Treppengeländer.

Ansonsten hält sich die Gestaltung vor allem des Obergeschosses zugunsten der noch erhaltenen Substanz des historischen Gebäudes angenehm zurück. Die dicken Wände – sichtbar an den Fensterlaibungen – sind mit einer dicken Schlämme in gebrochenem Weiß versehen. Die Gewände von Türen und Fenster – ob aus Naturstein oder bemalt – wurden so erhalten, nur leicht gesäubert. Im Erdgeschoss kam als Bodenbelag ein heimischer Granit zum Einsatz, im Obergeschoss geschliffenes Holz. Holz auch bei Fenstern und Fensterbänken. Die Beleuchtung erfolgt durch ein dezentes Deckenschienensystem. Auch die Videowand und die Vitrinen, in denen verschieden große, in der Nähe gefundene Brocken von Eisenerz oder Eisenschlacke gezeigt werden, sind eher bescheiden und unaufdringlich ausgeführt. Die Dauerausstellung behandelt vor allem die Geschichte der Eisenhammer im Fichtelgebirge, wobei die Infotafeln das gleiche Design haben wie die im Freien. Den Bereich der Wechselausstellungen – Fotos etwa oder Gemälde – bespielt der sehr rührige Kunst- und Kulturverein Tröstau. Es war Konzept, dass eine dienende Architektur mit möglichst wenig Eingriffen der Aura des Ortes den Vortritt lässt. Ein Konzept, das aufgegangen ist. Ganz allgemein ist vieles aufgegangen bei diesem in sich sehr stimmigen Projekt, das die Grenzen zwischen Sanierung, Rekonstruktion und Umbau hinter sich lässt. Man hat einen Unort in einen sehr attraktiven öffentlichen Ort verwandelt, der von der Vergangenheit des Fichtelgebirges sehr viel Interessantes zu erzählen weiß. Das Engagement Martinis – und der vielen anderen – hat sich gelohnt. Und wer dann von aller Geschichte, Garten- und Gewässerpracht müde geworden ist, der kann sich im sanierten Herrenhaus mit Gaststätte und Biergarten erholen.

„Der desolate Zustand der vorhandenen Substanz stellte uns vor eine große Aufgabe. So hatte der Bachlauf das Fundament einer Außenwand so weit unterspült, dass sich die Wand nach außen neigte. Zwischen der Wand und dem Gewölbe war deshalb eine bis zu ca. 12 cm breite Fuge entstanden. Die durchdachten Maßnahmen, die der Tragwerksplaner Jörg Wittmann erarbeitete, stabilisierten den Bau, ohne seine Erscheinung zu stören.“
Uwe Gebhard, Projektleiter Kuchenreuther Architekten Stadtplaner

STANDORT:
Schlossweg 14
95709 Tröstau

BAUHERR:
Gemeinde Tröstau
Hauptstraße 6
95709 Tröstau

PROJEKTTEAM:
Marion Schlichtiger Landschaftsarchitektur, Wunsiedel
Kuchenreuther Architekten Stadtplaner, Marktredwitz
Architekturbu?ro Kerstin Holl, Marktredwitz

PROJEKTLEITER:
Uwe Gebhard