Kleines Schmuckstück

Haus der Kräuter, Nagel

Nun, auf der Liste der Baudenkmäler in Nagel steht es noch nicht - das Haus der Kräuter, obwohl es ein kleines Schmuckstück ist. An sehr prominenter Stelle in der 1500-Einwohner-Gemeinde gelegen, stand das Haus lange leer. Zwar gab es in der Kommune die Idee eines „Kräuterdorfes Nagel“. Zwar wurde diese in einem Integrierten ländlichen Entwicklungskonzept (IlEK) weitergedacht, zwar fertigten Studenten der TU Berlin Entwürfe dazu an, aber es mussten noch zwei Bürgerentscheide durchgefochten werden, bis man die Idee auch umsetzen wollte. Und just in jenen Moment erinnerte man sich an dieses 1871 errichtete, mittlerweile halb verfallene Haus - und baute es zum „Haus der Kräuter“ um. Jetzt finden in dem Gebäude Seminare statt, Kräuterkochkurse, Vorträge, Ausstellungen.

Mit wenigen, aber sehr kalkulierten und durchdachten Eingriffen verwandelten Peter Kuchenreuther und Projektpartnerin Kerstin Holl, Architektin aus Marktredwitz, das enge, dunkle, ja düstere Wohnhaus in ein lichtdurchflutetes und ungemein großzügiges Seminarhaus. Zwei Decken wurden teilweise entfernt, die Dachpfetten mit Stahlträgern verstärkt, zwei neue, äußerst elegante Treppen eingebaut. Wiedergefundene Wand- und Deckenbemalungen wurden sorgsam restauriert und schmücken jetzt den Seminarraum. Das leuchtende und die Fassade prägende Farbspiel grün-weiß findet sich in vielen Details auch im Inneren des Hauses wieder. Im Innen- wie aber auch im Außenbereich wurde die regionale Künstlerin Annette Hähnlein mit eingebunden. Ihre Interpretation der Blumen aus Birkensperrholz steigert nochmals die Raumentfaltung im Bereich der Galerie.

Zum Kräuterdorf, dessen Gesamtkonzeption von der Landschaftsarchitektin Marion Schlichtiger stammt, gehören noch drei Gärten: der Duft- und Schmetterlingsgarten auf einen mit Trockenmauern terrassierten Hang, der den bis zu jährlich 8000 Besuchern des Nageler Sees zusätzliche Attraktionen wie eine Thymianliege, eine Kräuterspirale und Infotafeln zu verschiedenen Pflanzthemen bietet. Ob zum Färben von Textilien, ob zum Würzen von Speisen oder ob zum Heilen von Krankheiten, wozu Kräuter über die Jahrhunderte verwendet wurden, erfährt man dagegen im Zeit- und Erlebniskräutergarten gegenüber der Schule. Ein kleiner Pavillon bildet die Krönung der Anlage. Auf dem Dach bietet sich eine gigantische Sicht über das Fichtelgebirge. Didaktisch einfühlsam aufbereitet und baulich subtil unterstützt, bietet dieses Areal eine kleine Zeitreise durch die Kräuterwelt. Der kleine Bauerngarten im Ortsteil Reichenbach, der ein selbstverständliches Nebeneinander von vielerlei Nutz- und Zierpflanzen demonstriert, entstand 2015. Ein Jahr später war das Kräuterdorf Außenstelle der Landesgartenschau in Bayreuth. Im März 2018 wurde das Kräuterdorf Nagel als einer von 100 Genussorten in Bayern ausgezeichnet und darf sich jetzt offiziell „Genussort Nagel“ nennen.

„Die Aufgabe für die Architekten war, in das Häuschen mit den kleinen Räumchen Licht und Luft reinzubringen. Das ist ihnen bestens gelungen.“
Theo Bauer, Bürgermeister der Gemeinde Nagel 1994 bis 2020

STANDORTE:
Haus der Kräuter: Kemnather Straße 3
Duft- und Schmetterlingsgarten: am See
Zeit und Erlebnisgarten: Wunsiedler Straße 5
Bauerngarten: Am Ende des Kappellenweges, Ortsteil Reichenbach
Alle 95697 Nagel

BAUHERR:
Gemeinde Nagel
Wunsiedler Straße 25
95697 Nagel

PROJEKTTEAM:
Arbeitsgemeinschaft Kerstin Holl, Marktredwitz
Kuchenreuther Architekten Stadtplaner

GESAMTKONZEPTION, FREIANLAGEN:
Marion Schlichtiger, Wunsiedel

PROJEKTMITARBEITERIN
KUCHENREUTHER ARCHITEKTEN STADTPLANER:
Maja Ruesch